Das Prinzip „Maßstab Mensch“

Forschungsergebnisse einer Projektentwicklung

Ende März 2020 endet die Projektförderung durch Aktion Mensch und die Software Stiftung für unsere Fachstelle ‚Maßstab Mensch‘. Die Fachstelle wird auch ohne diese Förderung weiterentwickelt werden (vielleicht mit anderen Fördermitteln).

Aber dieser Abschluss ist auch Anlass jenseits der üblichen Beschreibungen, einmal Bilanz zu ziehen und zu fragen, was aus der bisherigen Entwicklung für Schlüsse gezogen werden können. Nun scheint eine solche Bilanzierung auf den ersten Blick geradezu unmöglich zu sein, denn wenn wir unsere eigenen Prinzipien ernst nehmen, individuelle Entwicklungen fördern zu wollen, dann kann man aus den vielen individuellen Entwicklungsprozessen ja gerade kein allgemeines Prinzip herausholen. Man könnte höchstens die einzelnen Prozesse und Verläufe schildern und damit deutlich machen, wie maximal unvorhersagbar und nicht planbar ein solches reales Schicksalsgeschehen ist. Für die Orientierung im Lebens selbst mag dies stimmen. Im Verlauf der Entwicklung des Projektes hatten wir an einigen Stellen immer wieder das untrügliche Gefühl, dass wir uns auf ganz bestimmte Vorgaben und Vorstellungen, die meistens etwas mit Planung zu tun hatten, nicht einlassen dürften. Der Widerstand gegen solche ‚Planungen‘ hat dazu geführt, dass das Aushalten einer gewissen Unsicherheit, das Aushalten einer scheinbaren Kleinheit und das Ertragen eines nicht sichtbaren äußeren Erfolges, notwendige Voraussetzungen waren, damit sich die von uns angestrebte inhaltliche Qualität zeigen konnte. In dieser Zeit hätte man noch keine positiven Prinzipien und Beschreibungen unserer Arbeit formulieren können. In dieser Phase war mehr ein sich Wehren gegen zu viele schon vorhandenen Prinzipien und Vorstellungen notwendig.

Jetzt, nach Abschluss des Förderprojektes, und nach einem Projektverlauf von fast zehn Jahren, lassen sich aber doch einige Prinzipien formulieren, die sich mit der Zeit immer deutlicher gezeigt haben. Das wichtigste Prinzip scheint dabei ein ganz einfaches zu sein und es ist doch, wenn man es wirklich versucht zu leben, das Schwierigste: Es geht darum gewissermaßen ‚postprofessionell‘ den einzelnen Menschen in seiner Lage wahrzunehmen, ohne diese Wahrnehmungen durch äußere Eigenschaften wie ‚er/sie ist behindert, er/sie ist krank, er/sie hat ein Problem usw. bestimmen zu lassen. Auch meine eigene Beschränkung durch berufliche Formen usw. darf dieses Beziehung nicht beschränken. Finde ich einen Zugang zu einem anderen Menschen auf der Ich-Ebene und lasse ich mich auf einen Entwicklungsprozess mit ihm ein oder nicht? Das ist die Kernfrage, und diese Frage ist keine moralische oder ethische Frage, also etwas, das man sich vornehmen kann, sondern eine empirische Wahrnehmungsfrage. In einer Formel ausgesprochen, könnte man formulieren, dass die Wahrnehmungsfähigkeit (als Offenheit) prinzipiell und graduell abhängt von der existentiellen Auseinandersetzung mit Frage nach dem Ich des Menschen. Traue ich dem Begriff des Menschen zu, dass er nicht nur eine Bewusstseinsfrage ist, sondern ‚komme ich hin zum „schaffenden Begriff vom Menschen“, der bis in die Leibverhältnisse und die Schicksalsverhältnisse schaffend wirkt? „Dieses Schaffende würde auch in einer angemessenen Weise verständlich machen, wie Werden oder Entstehen eines Menschen im Sinne von individueller Weiterentwicklung möglich sind. (siehe W. U. Klünker, Geburt und Kindheit, Vortrag 16.11.2002, S.5).
In diesem Sinne mag die unten geschilderte Projektentwicklung als eine erfolgte Wirksamkeit unserer eigenen individuellen und gemeinsamen Forschungsbemühungen um eine sozial wirksame Menschenkunde angesehen werden. Diese Wirksamkeit ist dabei vollständig abhängig von einer Art ‚peripherem Ich‘, indem Menschen mit ihren Fragen an uns dieses Geschehen immer wieder neu in Gang setzen. Eine genauere Erforschung der Wirksamkeit – z.B. w i e eine solche Lebensentwicklung erfolgt und sich zeigt steht noch aus. Das Prinzip ‚Maßstab Mensch‘ zeigt erst einmal nur die Voraussetzungen und Bedingungen für eine solche Entwicklung auf.
Roland Wiese 20.3.2020

www.rolandwiese.com

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